Vor mittlerweile fast einem Jahr hatte ich zum ersten Mal eine Betreuung mit Michael (5) bei KidsCircle. Was damals die Stunde ein wenig knifflig machte, war, dass Michael kaum sprach und sehr schüchtern war. Deshalb schauten wir uns oft Bilderbücher an – einmal hielt ich meine Bücher in die Kamera und erklärte die Bilder, einmal zeigte mir Michael wiederum seine Bilderbuchsammlung und ich beschrieb, was ich sah.
Ich kann mich noch gut an eine Stunde erinnern, in der wir uns gerade ein Dino-Buch anschauten und Michael plötzlich leise anfing zu knurren. Ich fragte: „Hast du dich in einen Dino verwandelt?“, und Michael nickte eifrig. Das Knurren wurde zu einem Brüllen und deshalb warf ich ein: „Oh, du bist bestimmt ein T-Rex!“ Daraufhin verwandelten wir uns in einen T-Rex und einen Langhals-Dino und marschierten gemeinsam durchs Dino-Land, wobei ich als Langhals-Dino schon etwas Respekt vor dem furchteinflößenden T-Rex hatte...
Langsam aber sicher begann Michael während dieser Stunde mehr zu sprechen und wir hatten sehr viel Spaß. Kurz hat sogar der Papa von Michael mal den Kopf ins Zimmer gesteckt, um zu gucken, was da gerade vor sich geht, aber als er uns sah, musste auch er lachen.
Danach habe ich Michael erst wieder ein paar Wochen später in einem Lernzirkel gesehen. Die ersten beiden Male war es auch hier ein wenig leiser. Irgendwann kam ich aber zufällig auf die Himmelsrichtungen zu sprechen und da Michael diese schon kannte, erklärte er mir ganz begeistert, welche es denn gibt und dass ein Kompass die Richtungen anzeigen kann.
Da schlug ich ihm vor, dass wir uns zusammen eine Piraten-Schatzkarte ausdenken und natürlich – ganz piratengerecht – den Kompass gleich dazu malen könnten. Gesagt – getan! Michael blühte auf und schlug hier einen Umweg, dort eine knifflige Aufgabe und drüben noch ein weiteres Hindernis vor, das wir noch einbauen könnten auf unserem Weg zum legendären Piratenschatz.
Von da an hatten wir unsere gemeinsame Sprache gefunden:
Karten malen und auf die Reise gehen. In jeder darauffolgenden Stunde hat Michael gefragt: „Können wir auf die Reise gehen?“
Einmal durfte ich über das Ziel entscheiden und einmal suchte er es aus. Manchmal mussten wir erst eine Karte dazu malen, manchmal starteten wir einfach auf gut Glück. Zwischendurch nahmen wir auch unsere Kuscheltiere mit auf die Reise, was manchmal auch schief ging, weil Michaels Enten-Kuscheltier ein ziemlicher Frechdachs ist und uns immer wieder Streiche gespielt hat…
Natürlich wechselten auch unsere Verkehrsmittel: Flugzeug, Schnellzug, Fahrrad, Zeppelin, Wasserflugzeug, Schiff oder sogar auf dem Rücken eines Haies mussten wir reiten, um unser Ziel zu erreichen.
In der ganzen Zeit, die wir schon miteinander verbracht haben, sind wir schon in China, in der Tiefsee, in Indien, am Nordpol, am Südpol, im Dschungel, im Piratenland, in Japan, in Afrika, bei den Dinos, im Fledermaus-Land und noch vielen weiteren gewesen. Und dabei haben wir gemeinsam immer so viel geredet, dass uns eine Stunde fast nicht ausgereicht hat…